China Automarkt Aufmacher
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Offensive aus dem Osten

Wie China die E-Auto-Welt im Sturm erobert

Jahrelang thronten sie unangefochten an der Spitze der Automobilbranche. Seit über einem Jahrhundert verkörpert automobile Ingenieurskunst das Aushängeschild der deutschen Industrie – eine Tatsache, die bis vor kurzem als unumstößlich galt. Doch wie sich herausstellt, sind auch solche Zeiten nicht vor Veränderungen gefeit. In den vergangenen Jahren hat sich die Welt der Fahrzeuge grundlegend gewandelt. Seit der Einführung des Tesla Roadster im Jahre 2008, welcher damals noch vorsichtig mit einem amüsierten Lächeln zur Kenntnis genommen wurde, hat der Fortschritt in der Elektromobilität das Kräfteverhältnis innerhalb der Branche vollkommen verändert. Denn nun sind es weder unsere deutschen Nachbarn, noch die traditionsreichen Autobauer aus Amerika, die das Rennen anführen. Das Auto der Stunde kommt nämlich aus dem Osten, aus dem Land der Drachen mit der gigantischen Mauer – China.

Alle Elektroautos auch auf

Innovation, technische Raffinesse und insbesondere ein konsequenter Vormarsch in Sachen Digitalisierung gelten Fernost als das Erfolgsrezept. Alles Bereiche, in denen die Asiaten nach jahrelanger Forschung und Entwicklung langsam aber sicher die Führung übernehmen. Bei all den Lobeshymnen und Spitzenwerten setzen sie aber noch einen drauf – denn in China werden nun nicht nur richtig gute Elektroautos gebaut, sondern auch, wenig überraschend, richtig günstige.

Im Rahmen der Shanghai Automesse 2023 präsentierten große chinesische Automarken wie Nio, Xiaopeng Motors oder BYD neue Flaggschiff-Modelle, ausgestattet mit technischen Daten, die der deutschen Industrie kalte Schauer über den Rücken jagen, zu Preisen, welche die Köpfe der benzinverliebten Konzernvorstände rauchen lassen.

Denn nun gibt es kein Zurück mehr: Die chinesische Autoindustrie ist nicht nur auf der Überholspur, sie fährt mit Lichthupe und minimalem Abstand der Konkurrenz entschlossen und eindringlich hinten auf.

Wir halten das für Anlass genug, die neuen Top-Modelle aus dem Reich der Mitte einmal genauer zu betrachten, zumal Größen wie BYD, Nio oder MG mittlerweile auch schon in Österreich verfügbar sind. Nachdem die Volksrepublik China mit BYD die Mehrheitsanteile des Heimatmarkts von VW zurückerobert hat, folgt nun die internationale Expansion.

Dementsprechend präsentieren wir Ihnen die fünf vielversprechendsten, noch weniger bekannten Marken aus dem fernen Osten und erläutern, was ihre Top-Modelle so besonders macht.

Nio … steht für nie ohne Strom

Nio ist der lebende Beweis dafür, dass von chinesischen Importeuren nicht nur ein neuer Maßstab in Sachen Preis gesetzt wird. William Li, der Gründer des 14.000 Mitarbeiter starken Konzerns, ist nicht umsonst als der Elon Musk Chinas bekannt. Und das nicht aufgrund fragwürdiger medialer Ausrutscher, sondern aufgrund seiner gnadenlosen Hingabe für Innovation.

Das besondere Alleinstellungsmerkmal der chinesischen Premiummarke: Sogenannte "Swap-Stations", welche innerhalb von Minuten die leere Autobatterie durch eine frisch geladene ersetzen. Dies gelingt durch ein großflächig angelegtes Netzwerk von aktuell rund 1.500 Stationen weltweit. Tendenz steigend.

Nio ET7 Seite

Leistbarer Luxus – ein Modell, das vor allem der deutschen Konkurrenz weiche Knie macht. Der Nio ET7 kommt mit einem Preis, den man dem Mittelklassesegment zuordnen würde und liefert dennoch auf voller Länge ab.

Fast forward heißt es bei Nio in allen Bereichen. Seit geraumer Zeit engagiert sich die frische Marke höchst erfolgreich auch in der Formel E. Höchst erfolgreich und ansprechend ist auch das Design. Die Fahrzeuge werden in München gezeichnet und so auf den Eintritt in europäische Märkte vorbereitet.

Das erste Nio-Modell, das wohl auch in Österreich schon bald zu sehen sein wird, ist der ET7. Diese 5,10 Meter lange Elektro-Limousine brilliert in nahezu allen Aspekten: Mit ihrem schicken Äußeren, mit technischen Highlights sowie auch mit atemberaubender Leistung – mit einem 480 kW starken Allradantrieb beschleunigt die chinesische Luxuskarosse in nur 3,8 Sekunden von 0 auf 100 km/h. Der ET7 besitzt rahmenlose Türen, automatisch ausfahrende Türgriffe und ein Interieur, das an Volvo oder Polestar erinnert.

Nio ET7 Cockpit

Aufgeräumt & minimalistisch – im Interieur lässt Nio nichts anbrennen und schließt sich hier der Gangart der meisten Elektroautohersteller an. Die Innenausstattung wirkt unaufgeregt und wirft den Fokus auf das Wesentliche.

Hier drinnen erwartet uns, klassisch asiatisch, ein voll digitalisierter Innenraum. Mit an Bord ist nämlich Nomi, eine sprachgesteuerte KI, die bereit ist, dazuzulernen und auf Sprachbefehle reagieren kann. Die Preise für den Nio ET7 dürften in Europa bei etwa 70.000 Euro starten, wobei weitere Details und Verkaufspreise Ende des Jahres bekannt gegeben werden sollten.

Verspieltes Kätzchen

Ora wurde erst 2018 gegründet und gehört zum chinesischen Great-Wall-Konzern. Mit dieser Marke erhofft sich der der SUV-, Pick-up- und Geländewagenhersteller den Einstieg in das Segment der Kompaktwagen. Die sehr rundlichen und entzückenden Modelle des Herstellers sind auf jeden Fall ein optischer Hingucker – auch wenn sie nicht jedem gefallen.

Was das verschnörkelte chinesische Kätzchen so besonders macht, erklären wir anhand ihres aktuellen Bestsellers: Die Ora Funky Cat ist ein Elektro-Mini mit einer Länge von 4,26 Metern. Der RetroFuturism-Flitzer erinnert mit seinem runden Heck an einen Käfer, die vorderen Augen gleichen denen eines Minis.

Ora Funky Cat in rot, dunkelgrün und blau/grau

Farblich ansprechend, verspielt und modern – die Designer der Funky Cat haben sich innen sowie außen einiges getraut. Ob sich dieses gewagte Konzept in Europa durchsetzen wird?

Der chinesische Export, dessen Marktstart in Europa 2023 erfolgte, bietet bereits beeindruckende Funktionen: Die Sprachbedienung hört auf ihren eigenen Namen und führt Befehle, wie das Öffnen der Kofferraumklappe, die Regulierung der Heizung und vieles mehr, aus. Sogar schlechte Witze erzählen und Quiz spielen sind möglich, wenn man im Stau steht!

Die Funky Cat ist leichtfüßig und ihre 171 Elektro-PS machen Spaß. Die 48-kWh-Batterie bietet eine Reichweite von 310 Kilometern, während die 63-kWh-Version 100 Kilometer mehr schafft. Leider ist die Ladezeit noch nicht optimal – bis zu 67 kW Ladeleistung bedeuten 50 Minuten Ladezeit für den kleineren Akku (von leer auf 80 Prozent).

Ora Funky Cat Cockpit

Wie man es von einem echten chinesischen Auto kennt, ist die Funky Cat durch und durch digitalisiert. Der begleitende, digitale Sprachassistent ist von schlechten Witzen bis zum Rätselraten für alles zu haben.

Im Inneren erwartet einen jedenfalls jede Menge Platz und hochwertigste Materialqualität, die in jedem Detail absolut premium wirkt. Aber Vorsicht: Die Funky Cat ist kein Schnäppchen – der Preis ist mit 38.990 Euro aufwärts doch recht ambitioniert! Ob sich die verspielte Serie des Great-Wall-Konzerns durchsetzen wird, wird sich noch herausstellen. Qualitativ und optisch ist Ora aber jedenfalls eine Bereicherung für den europäischen Markt.

Chinesisches Powerhouse

Eine weitere schnell wachsende Marke aus China ist Xpeng, auch bekannt als Xiaopeng Motors. Die 2018 gegründete Marke verzeichnet seit Jahren schon massives Wachstum. Durch die Einführung neuer, hochqualitativer Modelle sind sie auf dem besten Weg, dies auch fortzusetzen. Gerade im Bereich Ladezeiten und Reichweite scheint Xiaopeng Motors die Nase ganz weit vorne zu haben.

Xpeng G6 Front/Seite

Ein athletischer Bulle – der Xpeng G6 erinnert optisch an einen Porsche Macan. Das aerodynamische SUV-Modell des chinesischen Konzerns überzeugt mit Design, Leistung und Ausstattung auf voller Linie.

Die Marke, die bislang noch nicht einmal in Deutschland vertreten ist, hat ebenso einige spannende, innovative Modelle vorzuweisen, wie z.B. das SUV-Coupé G6: Der neueste Elektro-Hingucker von Xpeng und schicke Kompaktklasse-Flitzer feierte sein Debüt auf der Shanghai Auto Show 2023 und bringt jede Menge Innovationen mit sich. Mit einem variablen Radstand und beeindruckenden Ladeleistungen von bis zu 480 kW, zeigt der G6, dass er das Zeug zum Star hat. Dabei besticht das SUV mit einer sportlichen Optik à la Porsche Macan.

Xpeng G6 Innenraum

Romantischer Abend zu zweit oder vielleicht einfach nur ein Powernap zwischendurch: Binnen Sekunden wird der G6 zur angenehmen Liegewiese. Platz genug, um sich richtig breit zu machen.

Doch das ist noch nicht alles: Die Reichweite von bis zu 755 Kilometern und eine Schnellladung von nur 10 Minuten für 300 Kilometer versprechen eine stetige Fahrbereitschaft mit nicht allzu langen Wartezeiten. Im schicken, reduzierten Cockpit genießen Fahrer und Beifahrer modernste Technik und Komfort. Ein Gesamtpaket, das sich wirklich sehen lassen kann – ein wahrer Konkurrent für das Tesla Model Y in fast jeder Hinsicht.

Das chinesische Flaggschiff

BYD sollte mittlerweile den meisten ein Begriff sein. Der chinesische Giga-Konzern mit über 220.000 Mitarbeitern ist schon seit Jahrzehnten eine feste Größe in der asiatischen Technologiebranche. Als Batteriehersteller für Mobiltelefonanbieter begonnen, produziert das Unternehmen seit 2003 auch Autos. Nach jahrzehntelanger Entwicklung der Marke konnte BYD im ersten Quartal des Jahres 2023 die Vorherrschaft am chinesischen Markt erobern und somit Volkswagen nach 40 Jahren ablösen. Die nächste logische Konsequenz war nun also die Markteinführung in Europa Anfang 2023. Was die aktuelle Produktpalette, das Management, aber auch die Händlerschaft angeht, hat die von Denzel in Österreich importierte Marke einiges zu bieten. Gerade was Qualität und Technik betrifft, will BYD neue Sphären eröffnen:

Neben den mittlerweile bekannten Modellen ATTO3, HAN und TANG bringt BYD zeitnah auch den Seagull, ein süßes Elektro-Kleinwagen-Wunder, auf den Markt! Der auf der Shanghai Auto 2023 vorgestellte Elektro-Flitzer für kleines Geld (Einstiegspreis in China umgerechnet rund 10.400 Euro) vereint umweltfreundliche Mobilität in kompaktem Design. Der Seagull ist ein Teil der „Ocean“-Serie, die auch die Modelle Dolphin und Seal umfasst. Mit einer Länge von 3,78 Metern ist er zwischen einem Fiat 500 Elektro und einem Mini Cooper SE angesiedelt und bietet Platz für vier oder fünf Personen. Der dezente 55-kW-Motor erreicht eine Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h und bietet je nach Batteriewahl Reichweiten von 305 km oder sogar 405 km mit einer Schnellladezeit von 30 Minuten von 30 Prozent auf 80 Prozent auf – gesundes Mittelmaß!

BYD Seagull

Mobil, wendig, auffällig: Der Seagull ist das ultimative City-Mobil des chinesischen Gigakonzerns BYD. Das auffällige Design sowie der sensationelle Preis werden vor allem ein junges Publikum ansprechen.

Das Auto punktet auch mit einem modernen und frischen Innenraum, inklusive 5-Zoll-Instrumentendisplay und 12,8-Zoll- Touchscreen für das Infotainment-System. In China ist der Seagull bereits ein großer Erfolg, mit 10.000 Bestellungen innerhalb der ersten 24 Stunden nach der Präsentation. Ob sich diese Erfolgsserie in Europa fortsetzt, bleibt noch offen. Preislich, so sicher kann man sich sein, spielt BYD aber mittlerweile in einer eigenen Liga.

Sparen und fahren

Lynk & Co zählt aufgrund seines speziellen Vertriebssystem zu den Automarken, die künftig in Europa weit verbreitet sein könnten. Die Kooperation des chinesischen Konzerns Geely und Volvo setzt auf ein innovatives Abo-Service, das es dank einer Flatrate erlaubt, Autos jederzeit auszuborgen und zurückzugeben. Das System ist super simpel und mittlerweile schon in vielen europäischen Ländern ausgerollt.

Hierbei setzt Lynk & Co auch nicht auf alteingesessene Händler, sondern eröffnet an außergewöhnlichen Standorten sogenannte „Clubs“. Eine moderne Interpretation eines Flagship-Stores, wo sich Markenenthusiasten treffen können, um sich auszutauschen, Kaffee zu trinken und Autos zu testen. Diese Herangehensweise erwies sich bis jetzt als absolutes Erfolgskonzept – man darf gespannt bleiben, ob der Wachstumspfad so auch im konservativen Österreich bestehen bleibt. Selbstverständlich besteht aber auch nach wie vor die Möglichkeit, die Autos einfach konventionell zu kaufen.

Lynk & Co 01 Front/Seite

Mieten, borgen, kaufen. Den Lynk & Co 01 in die Hände zu bekommen, ist auf viele Arten und Weisen möglich. Die Kooperation des chinesischen Herstellers mit der schwedischen Traditionsmarke Volvo verspricht ein Auto mit flexiblem Abo-Modell sowie state-of-the-art-Technologie.

Der Lynk & Co 01 ist ein kompaktes SUV, das auf derselben Plattform basiert wie der Volvo XC40. Als Plug-in-Hybrid (PHEV) bietet er eine nutzbare Batteriegröße von 14,1 kWh, damit eine rein elektrische Reichweite von bis zu 75 km und eine Systemleistung von 261 PS. Die Beschleunigung von 0 auf 100 km/h beträgt 8 Sekunden, die Höchstgeschwindigkeit liegt bei 210 km/h. Preislich beginnt der Lynk & Co 01 PHEV bei unseren Nachbarn in Deutschland bei etwa 42.000 Euro vor Förderung.

Die meisten Kunden entscheiden sich dennoch für das einzigartige Mietmodell, bei dem eine Monatsmiete von 500 Euro anfällt. Dieser Festpreis beinhaltet alle Nebenkosten, mit Ausnahme von tanken und laden. Die Mietdauer kann flexibel gewählt werden, von einem bis zwölf Monate oder auch länger. Aber nicht nur das – Lynk & Co bietet sogar die Möglichkeit, das Auto unterzuvermieten. Über eine App oder eine Funktion direkt im Auto kann der Hauptmieter sein Fahrzeug anderen Mitgliedern der Lynk-Community zur Verfügung stellen. Der Hauptmieter bestimmt den Stundenpreis und eine Provision wird an Lynk abgeführt.

Lynk & Co 01 Cockpit

Das Interieur sowie das Cockpit spiegeln eine gelungene Kombination aus schwedischer Tradition und chinesischer Innovation wider. Ein Mix aus analogen und digitalen Elementen treffen designtechnisch den Zahn der Zeit und sorgen ebenso für eine nutzerfreundliche Bedienung.

Was schließen wir daraus?

Die Konkurrenz aus dem Osten schläft nicht. Ganz im Gegenteil: Sie rüttelt die westliche Autoindustrie langsam aber sicher aus ihrem verlängerten Winterschlaf. Mehr noch treibt sie diese vor sich her. Gerade die letzten Neuheiten der Shanghai Automesse 2023, wie der BYD Seagull oder Lynk & Co, die in Sachen Verkauf ganz andere Wege gehen, sind ein Ausrufezeichen der chinesischen Ambitionen. Das alles wohlgemerkt unter der Einhaltung aller aktuellen Standards.

Neue, innovative Konzepte im digitalen sowie analogen Bereich, Autos für die breite Masse. Das sind die großen Herausforderungen, denen sich Volkswagen, aber auch Tesla langsam aber sicher stellen müssen. Mit dem VW ID. 2all wurde gerade noch rechtzeitig ein Zeichen gesetzt. Wenn, dann ist jetzt die richtige Zeit für klare Antworten und das lieber noch heute als morgen.

Wir dürfen auf jeden Fall gespannt sein, wie sich die Situation weiterentwickelt und ob die lang herbeigeschworene Auto-Invasion aus dem Osten tatsächlich Realität wird. Wir werden sehen!